Terminologiepflege mit PfleSaurus


PfleSaurus ist ein objektorientiertes Computersystem zur Pflege von Terminologiebeständen (Willen-borg 1991a, Willenborg 1991b). PfleSaurus wurde im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojekts ATLAS (ATLAS 1990) in Zusammen-arbeit der Institute für Linguistik, Psychologie und Informatik entwickelt.
 

1. Repräsentation


Die hypertextbasierte Repräsentation für Terminologien wird bei PfleSaurus mit der objektorientierten Sichtweise verschmolzen:

"Ein besonderer Reiz liegt nun darin, Objektorientierung und Hypermedia nicht einfach zu verknüpfen (z.B. durch Implementierung eines Hypermedia-Systems in einer objektorientierten Programmiersprache), sondern die beiden Konzepte zu verschmelzen., d.h. ein objektorientiertes Verarbeitungsmodell zum Bestandteil des Hypermedia-Modells zu machen." (Mühlhäuser 1991 284)

So werden bei PfleSaurus Informationsein-heiten, Relationen zwischen den Einheiten, Rela-tionsarten und  mathematische und semantische Typen von Relationsarten direkt als Objekte bereitgehalten.
 

2. Darstellungen


Die alphabetische, polyhierarchische und graphi-sche Darstellung von (Teil) -Terminologien wird ermöglicht. Weiterhin werden sachgebietsbezogene Auswahl- Filter- und Sortieroptionen bereitgehalten.

(Abb. 1: Alphabetische, polyhierarchische und nach Sachgebieten geordnete Darstellung eines Beispielwortschatzes mit PfleSaurus)
 
 

3. Relationsarten


Die Ober/Unterbegriffsrelation, die Verwandtschaftsrelation, die Synonymrelation, die Sachgebietsrelation, die Antonymrelation, die Bestandsrelation (räumlich) und die Nachein-ander-Relation (zeitlich) mit den dazugehörigen mathematischen und semantischen Eigenschaften sind von PfleSaurus vorgegeben und können vom Anwender direkt verwendet werden.

Weiterhin wird die Definition und Modifikation beliebiger Arten benannter Anwenderrelationen ermöglicht. Den Relationsarten können vom Anwender mathematischer Eigenschaften wie z.B. Symmetrie, Transitivität, Rechtseindeutigkeit zugeteilt werden. Diese werden bei der Konsistenzprüfung unmittelbar weiterverwendet.
 

4. Konsistenz


Folgende mathematischen Eigenschaften von Relationsarten werden bei jeder Modifikaion der Terminologiebestände automatisch überprüft:

1. Reflexivität
2. Symmetrie
3. Links- und Rechtseindeutigkeit
4. Azyklizität

Weiterhin wird für die Argumente jeder Relation überprüft, ob sie vom Typ her den Argumenten der beteiligten Relationsart entsprechen.

Es gilt allgemein:

1. Jede Relationsart besitzt eine inverse Relationsart.
2. Jede symmetrische Relationsart besitzt als inverse Relationsart sich selber.
3. Es existieren bezüglich einer Relationsart keine Mehrfachkanten zwischen zwei Knoten.
4. Für jede hierarchische oder polyhierarchische Relationsart gilt die Azyklizität.
 

5. Modifikation


Autorisierungs- und darstellungsabhängige Operationen zur Erstellung und Definition, zur Modifikation von Informations-einheiten, Relationen, Relationsarten, mathematischen und semantischen Typen von Relationsarten werden bereitgestellt. Weiterhin wurde eine Operation zum "Drehen" von Relationen realisiert.
 

6. Autorisierung


Die Terminologiepflege wird als eine kooperative Tätigkeit betrachtet, bei der die Mitglieder der Terminologieredaktion jeweils unterschiedlich autorisiert werden. Folgende Autorisierungen sind zu unterscheiden:

1. Fachgebietsspezialist: Umfassende Vollmachten zur Modifikation und dem "Sichten" der Bestände

2. Fachgebietskenner: Teilumfassende Vollmachten zur Modifikation der Bestände und umfassende Vollmachten zum "Sichten" der Bestände

3. Fachgebietsnovize: Umfassende Vollmachten zum Sichten der Bestände
 

7. Objektorientierte Implementierung


Grundsätzlich kann ein beliebiges Programmierparadigma zur Beschreibung einer hypertextbasierten Sicht auf die Terminologie- und Wörterbuchpflege angewendet werden, es bietet sich jedoch der objektorientierte Ansatz an, weil Objekte als atomare Bausteine eine starke Ähnlichkeit zu Hypertextknoten aufweisen.

PfleSaurus wurde in der objektorientierten Programmiersprache Smalltalk V 286  implementiert.

Um PfleSaurus nutzen zu können, sind die folgenden Hardwarevoraussetzungen einzuhalten:

- IBM-kompatibler PC mit 4 MB Hauptspeicher (extended memory);
- Graphikkarte: VGA (CGA, EGA, Hercules möglich aber nicht empfehlenswert);
- Maus (100 % Microsoft kompatibel);
- Betriebssystem: PC-DOS oder MS-DOS Version 2.0 oder später;
- Co-Prozessor 80287 oder 80387 für Gleitkommazahlanwendungen.

Eine Portierung nach Smalltalk V Windows beziehungsweise nach Smalltalk 80 in Verbindung mit der objektorientierten Datenbank GemStone wird angestrebt.
 

8. Literatur


ATLAS 1990. ATLAS-Mitarbeiter. Projektgruppe ATLAS: Methodenentwicklung für ein "Archiv für Technik, Lebenswelt und Alltagssprache" - Bericht über die erste Forschungs-phase. Forschungsbericht Nr. 90-17, Projekt ATLAS, TU Berlin 1990.

Mühlhäuser 1992. Mühlhäuser, M. Hypermedia-Konzepte zur Verarbeitung multimedialer Information. In: Informatik Spektrum, 15, S. 281-290. Springer Verlag, 1992.

Willenborg 1991a. Willenborg, Josef. PfleSaurus - ein System zur Erstellung und Weiter-entwicklung von Thesauri. Unveröffentl. Diplomarbeit an der TU Berlin 1991.

Willenborg 1991b. Willenborg, Josef. ATLAS-PfleSaurus: Ein objektorientiertes System zur Unterstützung der Thesauruspflege. In: Norbert Fuhr (Hrsg.). Information Retrieval. Informa-tik Fachberichte 289 S. 51-63, Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York, Juni 1991.
 

Dipl. Inform. Josef Willenborg
Technische Universität Berlin
Fachgebiet WBS
Franklinstr. 28
D-10587 Berlin
e-mail: josefw@cs.tu-berlin.de